In allen Verbrennungsmotoren kommen Kurbelwellen, Antriebswellen und Nockenwellen zum Einsatz. Die Automobilindustrie hat höchste Ansprüche an die Fertigungsgenauigkeit und Oberflächeneigenschaften dieser Wellen. Nockenwellen steuern beispielsweise mit Mikrosekundengenauigkeit den Zeitpunkt der Ventilöffnung, die synchron zur Kolbenbewegung erfolgen muss. Bereits kleinste Fehler können zu erhöhtem Verschleiß, unerwünschter Geräuschentwicklung und Fehlfunktionen führen. Daher werden Wellen in der Fertigungslinie einer 100-Prozent-Prüfung unterzogen, wobei die Anforderungen an die Genauigkeit der Messtechnik zehn Mal höher sind als jene an die Genauigkeit der Fertigungstechnik. Bei der Vermessung der Form- und Lageabweichungen muss die Messgenauigkeit im Mikrometerbereich, manchmal sogar im Bereich einiger hundert Nanometer liegen.
Am Fraunhofer ILT haben Experten nun den bidirektionalen optischen Sensor „bd-1“ entwickelt, der sowohl die Form als auch die Rauheit von Wellen inline messen kann. Er benötigt nur einen Bruchteil des Bauraumes, der von herkömmlichen Triangulationssensoren beansprucht wird. Der Sensor kann alle Arten von Oberflächen messen, auch feingeschliffene, glänzende und spiegelnde Oberflächen, deren Erfassung mit anderen optischen Sensoren problematisch ist. Auch steile Flanken oder Bohrungen mit hohem Aspektverhältnis sind erfassbar. Darüber hinaus wird während der Messung von Formabweichungen an drehenden Wellen zusätzlich die Oberflächenrauheit erfasst, wodurch zusätzliche Prozessschritte zur Vermessung mit Rauheitsmessgeräten entfallen.
„bd-1“ erkennt Formabweichungen und die mikroskopische Oberflächenstruktur der Welle bei Drehzahlen von mehreren tausend Umdrehungen pro Minute mit einer Genauigkeit im 100-nm-Bereich. Dies wird durch eine schnelle Datenaufnahme und -verarbeitung ermöglicht, wobei die Messfrequenz für einzelne Abstandsmessungen bis zu 70 kHz beträgt. Dies erreicht die Präzision interferometrischer Sensoren und ist dabei schneller als herkömmliche, absolut messende Abstandssensoren. Der Sensor kann sowohl zur Qualitätsprüfung in der Fertigungslinie als auch zur Prozessüberwachung während der Fertigung eingesetzt werden. Auch in rauen Umgebungen arbeitet der Sensor zuverlässig. Das Fenster für den Strahlaus- und Strahleintritt hat einen Durchmesser < 5 mm und kann daher effizient durch einen Luftstrom vor Verschmutzungen geschützt werden.
Die Entwickler des Fraunhofer ILT haben den Abstandssensor primär für Hersteller von Wellen oder von Hochpräzisions-Zylinderkoordinaten-Messmaschinen (CCMM) für beispielsweise Nocken- oder Kurbelwellen entwickelt. In Feldversuchen hat sich „bd-1“ bereits bei Aufgabenstellungen wie der Dickenmessung an Walzbändern und Blasfolienanlagen sowie bei Rundheits- und Abstandsmessungen während der Fertigung von Drehteilen in Werkzeugmaschinen bewährt.
Kontakt: Petra Nolis, Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT
petra.nolis@ilt.fraunhofer.de